Als ich „Inspector Ghote zerbricht ein Ei“ von H.R.F. Keating zu lesen begann, erwartete ich einen klassischen Krimi. Was ich bekam, war jedoch viel mehr - ein faszinierendes Sittengemälde des Indiens der 1970er Jahre, in dem der Kriminalfall eher als Aufhänger dient.
Die Geschichte folgt Inspector Ghote, der als getarnter Hühnerfuttermittelvertreter in eine Kleinstadt geschickt wird, um den 15 Jahre zurückliegenden Tod der Frau eines Politikers zu untersuchen. Von Anfang an wird klar, dass hier mehr im Spiel ist als nur ein Mordfall. Keating nutzt die Ermittlungen geschickt, um die komplexen sozialen Strukturen und das Kastensystem Indiens zu beleuchten.
Besonders interessant fand ich die Darstellung der verschiedenen Gesellschaftsschichten und wie sie miteinander interagieren. Ein Zitat, das mir in Erinnerung geblieben ist, lautet: "In Indien, Inspector Ghote, ist nichts einfach. Alles ist verwoben wie ein komplizierter Teppich." Diese Aussage fasst die Essenz des Buches perfekt zusammen.
Ghote selbst ist eine sympathische Figur - bescheiden, hartnäckig und oft zwischen den Fronten stehend. Seine Bemühungen, den Fall zu lösen und gleichzeitig die lokalen Machthaber nicht zu verärgern, sind oft amüsant und gleichzeitig aufschlussreich.
Am Ende bin ich etwas unschlüssig, wie ich das Buch bewerten soll. Es ist sicherlich kein typischer Krimi und das Tempo ist manchmal etwas langsam. Dennoch hat mich die detaillierte Darstellung der indischen Gesellschaft fasziniert.
Obwohl ich nicht vollständig überzeugt bin, hat das Buch meine Neugier geweckt. Die Komplexität der Charaktere und die Einblicke in die indische Kultur machen Lust auf mehr. Wie es ein Charakter im Buch ausdrückt: "In Indien, mein Freund, ist die Wahrheit oft vielschichtig." Dies gilt auch für diesen Roman.
Ich werde dem zweiten Teil der Reihe auf jeden Fall eine Chance geben, in der Hoffnung, dass Keating seine Stärken in der Charakterentwicklung und Milieuschilderung weiter ausbaut, während er vielleicht etwas mehr Spannung in die Handlung bringt.